Von der Inspiration zur Passion: Wie eine Seereise und ein außergewöhnlicher Künstlerkontakt Rhea Callen dazu brachten, ihre Liebe zur Kunst neu zu entfachen – ein bewegender Einblick in die Schönheit der Vergänglichkeit.

Verfasst von

Redaktion

Wann wussten Sie, dass Sie Künstler werden wollen?

Der Wunsch entstand in meiner Jugend. Er war geprägt von meinem Großvater, einem naturverbundenen Maler. Nach einer langen Pause führte mich eine Seereise 2022 zurück zur Kunst. In der Ruhe des Meeres, einem Galeriebesuch und einem intensiven Austausch mit einer Künstlerin wurde mir klar: Jetzt ist der Moment, meine Leidenschaft konsequent zu leben.

(Foto: Oliver Grimm)

Welcher ist Ihr, noch lebender, Lieblingskünstler?

Ich bewundere Gerhard Richter wegen der geschichteten Tiefe seiner Werke. Das Ziehen, Überlagern und partielle Abtragen von Farbe inspirieren mich. Bei mir trifft dieser Gedanke auf Rostprozesse und Textilien - geerdete Materialien, die Spuren der Zeit sichtbar zu machen. Ihn einmal persönlich zu treffen und in einen Dialog zu gehen, wäre für mich eine große Bereicherung.

Koralle, 160 x 120 cm

Was möchten Sie mit Ihrer Arbeit beim Betrachter hervorrufen?

Ich lade dazu ein, Schönheit im Unvollkommenen zu entdecken. „Rost Nr. 6“, ein Hochzeitsgeschenk, wurde als „harmonische Balance von Alterung und Farbe“ beschrieben. Solche Rückmeldungen zeigen mir: Wenn Material und Emotion zusammenfinden, entsteht Nähe. In einer Welt der glatten Flächen und makellosen Perfektion möchte ich Räume für etwas anderes eröffnen: Oberflächen mit Tiefe, Spuren des Gelebten - für das Schöne im Verfall.

Im Spiel der Gezeiten offenbart sich die Weisheit der Natur: eine leise Einladung, die Vergänglichkeit zu umarmen und die Würde des Unvollkommenen zu feiern

Was ist die interessanteste Interpretation, die Sie von Ihrer Arbeit gehört haben?

Zwischen Lachen und Staunen: Von „vergammelte Pizza“ bis „so schön kann Rost sein“- ich nehme beides an. Humor öffnet die Tür, und oft folgt das Staunen über die Tiefe der Oberfläche.

(Foto: Oliver Grimm)

Woher nehmen Sie Ihre Inspiration für Ihre Arbeiten?

Ich beobachte Zersetzung und Neubeginn in der Natur: Moos auf Metall oder Salz auf Holz. In den Tagen vor dem Vollmond arbeite ich oft nachts. Dann setze ich die gesammelten Eindrücke in Schichten um, bis das Bild seine eigene Spannung trägt.

Qalle, 160 x 120 cm

Was ist das Beste daran Künstler zu sein?

Künstlerin zu sein bedeutet für mich Freiheit: das zu malen, was ich fühle, denke oder hinausschreien möchte. Jede Reaktion auf meine Werke – Zustimmung oder Kritik – fördert mein Wachstum. Mein Rat an junge Künstler: Gib niemals auf. Gehe deinen Weg und suche Menschen, die dir guttun, und hab keine Scheu, um Hilfe zu bitten.


Die vergoldeten Akzente zerfallener Gebäude erzählen von Liebe und Verlust - ein stiller Tanz zwischen dem Ewigen und dem Vergänglichen.


Können Sie Ihre Techniken und Ihren künstlerischen Schaffensprozess beschreiben?

Acryl, Verbandmull und Rostprozesse bilden die Basis. Ich strukturiere die Fläche mit Mull, trage Pigmente und Reaktionslösungen auf und steuere Oxidation und Neutralisation. Am Ende fixiere ich die Oberfläche, damit Struktur und Farbton langfristig stabil bleiben und Staub mit einem weichen Pinsel vorsichtig entfernt werden kann. Die Serie „Verlassene Schönheiten“ beinhaltet ein Werk, „Dem Meer so nah“ (Acryl-Mixed-Media, 70 x 140 cm, 2024), das den Zerfall eines Hauses in Meeresnähe thematisiert. Je nach Tageszeit und Perspektive entfaltet sich aufgrund der Dreidimensionalität und das Spiel von Licht und Schatten eine eigene Dynamik.

(Foto: Oliver Grimm)

Was war Ihr überraschendster Moment ihrer bisherigen Kunstkarriere?

Ein Wendepunkt war der erste hochpreisige Verkauf eines Werkes – er bestätigte mir den Wert meiner Arbeit. Später erhielt ich fachliche Anerkennung durch eine Berliner Agentur. Diese Schritte motivieren mich, den Weg international weiterzugehen.

Zwischen den Wogen der Meere und den feinen Linien des Verfalls liegt eine unerschütterliche Wahrheit: Nur wer loslässt, entdeckt die Freiheit des Seins

Welche Anschauung haben Sie auf unsere Welt und ihre Gesellschaft?

Ich sehe unsere Welt im beständigen Kampf zwischen Realität und Ideal. Globale Probleme wie Klimawandel, soziale Ungleichheit, Armut, Kriege und gesundheitliche Krisen verdichten sich zu einer gemeinsamen Herausforderung. Meine Kunst ist ein Versuch, diese Themen sichtbar zu machen – nicht durch Anklage, sondern durch das Schaffen einer emotionalen Verbindung, die dazu einlädt, sich ihnen zu stellen und Wege der Hoffnung zu suchen. Mein Werk „Die letzten Säulen Nr. 2“ (Acryl-Mixed-Media, 120 x 160 cm auf Leinwand, 2024) zeigt den fragmentierten Zustand einst standhafter Struktur. Zwischen Vergangenheit und Neubeginn angesiedelt, eröffnet das Bild einen stillen Dialog über Endlichkeit, Wandel und die Kraft der Zeit.

Die letzten Säulen Nr. 2, 160 x 120 cm

Welcher Aspekt des kreativen Prozesses gefällt Ihnen am besten?

Mich fasziniert die Chemie der Rostprozesse in ihren unterschiedlichen Stadien, mit denen ich mich ausdrücke. Ebenso die Herausforderung, mich mit meiner Technik stetig weiterzuentwickeln - um meiner Vision einer gerechten und nachhaltigen Zukunft näherzukommen und eine emotionale Verbindung zu meinen Betrachtern aufzubauen.

Was sind Ihre nächsten Projekte, Ideen und Ausstellungen. Wo kann man Sie und Ihre Kunst zeitnah sehen? 

Zurzeit bereite ich eine neue Serie zum Thema Architektur vor. Sie untersucht Architektur zwischen Beständigkeit und Zerfall. Erste Arbeiten entstehen bereits in meinem Atelier. Persönliche Besuche sind nach Vereinbarung möglich.

Weitere Informationen zur Künstlering Rhea Callen finden Sie hier:

www.rheacallen.com

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