Frida Pini verwandelt persönliche Erfahrungen und intensive Gefühle in farbgewaltige digitale Kunstwerke. Nach einem einschneidenden Erlebnis entdeckte sie die Welt des digitalen Zeichnens und erkundet seitdem die Tiefe menschlicher Emotionen. Ihre Werke, inspiriert von surrealen Welten und prägenden Kindheitserinnerungen, laden dazu ein, die gesamte Bandbreite menschlicher Gefühle bewusst wahrzunehmen und zu feiern.

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Wann wussten Sie, dass Sie Künstler werden wollen?

Ich hatte von 2019 bis 2021 mehrere Fußoperationen infolge, bei denen ich monatelang die operierten Füße hochlagern musste. Während dieser Zeit war ich gezwungen, einfach nur zu liegen. Mein Freund schenkte mir ein iPad, da ich analog nicht mehr gut malen konnte. So begann ich, bis zu 14 Stunden am Tag zu malen und entwickelte während dieser Phase eine große Leidenschaft für das digitale Zeichnen. Für mich war das eine Möglichkeit, in eine andere Welt zu fliehen, eine Welt, die nicht nur aus Schmerzen bestand. Gefangen in mir selbst, fast bewegungsunfähig, flüchtete ich in eine facettenreiche Fantasiewelt in meinem Kopf. Das war sehr erfüllend und half mir, diese eintönige Zeit zu überstehen.

Welcher ist Ihr, noch lebender, Lieblingskünstler?

Meine Lieblingskünstler:innen sind leider schon längst verstorben: Frida Kahlo und Salvador Dalí. Von den lebenden Künstlern ist Pierre Artista einer meiner Favoriten. Seine beeindruckenden, farbintensiven Werke leuchten regelrecht und sind für mich sehr inspirierend. Ich liebe die kräftigen Farben, seine Motive treffen genau meinen Geschmack. Auch die surrealen, digital gemalten Porträts von Akut Ayduogu beeindrucken mich sehr. Sie sind außergewöhnlich fantasievoll und perfekt umgesetzt. Außerdem bewundere ich meinen Vater, einen der besten Graveurmeister weltweit. Seine Präzision, Detailverliebtheit und sein Sinn für Ästhetik sind bewundernswert. Als ich ein Kind war, war er der erste Mensch, den ich zeichnen sah. Er malte mit einem blauen Buntstift eine nackte Frau, die auf einem Marihuanablatt kniete. Ich war fasziniert von seiner Präzision und dem meisterhaften Ergebnis. 


"Ich träume von einer Welt, in der Mitgefühl und Achtsamkeit die Grundpfeiler des menschlichen Miteinanders bilden."

Was möchten Sie mit Ihrer Arbeit beim Betrachter hervorrufen?

Ich möchte Emotionen wecken und vertiefen, damit sich die Menschen mit ihren Gefühlen auseinandersetzen. Mein Thema ist die Emodiversität – die Bandbreite der Emotionen, die ein Mensch empfinden kann. Das Thema liegt mir am Herzen, weil eine vielfältige emotionale Erfahrung oft mit besserem psychischem Wohlbefinden und einer besseren Fähigkeit, mit verschiedenen Situationen umzugehen, verbunden ist. Alle Emotionen sind wichtig und haben ihren Platz. Freude und Glück können uns motivieren, während Traurigkeit oder Wut uns helfen, Probleme zu erkennen und zu lösen. Es ist daher essenziell, alle Gefühle zuzulassen und zu akzeptieren, da sie uns ein vollständiges Bild unserer Erfahrungen geben. Mit meiner Kunst möchte ich dazu beitragen, Emotionen zu wecken und zu verstärken. Bei meiner Ausstellung „Strange Things“ erlebte ich sehr starke Reaktionen, zum Beispiel bei „Furious Anger“, einem Werk, das die alles verzehrende Wut zeigt, heiß und brennend wie ein Lavaausbruch. Das Bild war schnell verkauft. Mehrere Besucher sagten, es sei ein sehr emotionales und fesselndes Werk.


Was ist die interessanteste Interpretation, die Sie von Ihrer Arbeit gehört haben?

Mir wurde einmal gesagt, dass meine Arbeiten teilweise vom Kitsch der 90er Jahre geprägt seien – und das im positiven Sinne. Das hat mich wirklich überrascht. Als Kind der 90er Jahre fließen viele meiner Erinnerungen, Ästhetik und kulturellen Einflüsse in meine Kunst ein. Es freut mich zu hören, dass diese Elemente bei anderen Menschen Resonanz finden und sogar als charakteristisch für meinen Stil wahrgenommen werden. Außerdem wurde mir erzählt, dass meine Werke nerdig, feministisch und sehr fantasievoll wirken. Das finde ich spannend, weil es zeigt, wie vielfältig die Wahrnehmung meiner Kunst ist. Es ist schön zu sehen, dass meine Arbeiten unterschiedliche Interpretationen zulassen und Menschen auf verschiedene Weisen ansprechen.

Hoodoo Woman 70x84 cm

Woher nehmen Sie Ihre Inspiration für Ihre Arbeiten?

Meine Inspiration ist sehr vielfältig und kommt aus den unterschiedlichsten Quellen. Oft sind es meine eigenen Erlebnisse, Erinnerungen und die damit verbundenen Emotionen, die mich antreiben. Meine Kunst ist bis heute sehr beeinflusst von meiner Kindheit. Es gab viele große Parties im Haus meiner Eltern und ständig lief Musik. Meistens Soul, Jazz, Blues und Rock aus den 50er bis 70er Jahren, was ich auch gerne beim Malen höre. Hin und wieder habe ich luzide Träume, die in meine Kunst einfließen. Aber auch Situationen, die ich im Alltag erlebe, sowie Bücher und Filme, die mich berühren oder zum Nachdenken anregen, beeinflussen meine kreative Arbeit. Diese Einflüsse gehen manchmal ungewöhnliche Symbiosen ein, wie zum Beispiel bei „Floating“. Das Bild ist inspiriert von Stephen Kings „Es“, das ich als Kind gelesen habe. Es verbindet das Gefühl, in einer unangenehmen Situation hilflos ausgeliefert zu sein, mit dem Erlebnis, zu fallen. „Chess Game“ ist entstanden, als ich vor der Herausforderung stand, mich zwischen mehreren Wegen im Leben zu entscheiden. Diese Gedanken habe ich stundenlang in meinem Kopf durchgespielt. Auch die Serie „Das Damengambit“ hat mich dabei beeinflusst.

Was ist das beste daran Künstler zu sein?

Das Beste daran ist, dass ich meinen Drang nach kreativem Schaffen voll ausleben und meiner Leidenschaft folgen kann. Es ist die Freiheit, die damit verbunden ist, eine Freiheit, die mir ein 9-to-5-Job nicht bieten kann. Ich bin bereit, Risiken einzugehen, weil es mir wichtiger ist, das zu tun, was mir am Herzen liegt, als einen sicheren Job zu haben. Auch wenn der Weg bisher oft steinig war, würde ich es immer wieder so machen, weil es mich erfüllt und glücklich macht.

Lucid Dreamscape 50x60 cm

Können Sie Ihre Techniken und Ihren künstlerischen Schaffensprozess beschreiben?

Ich beginne meistens mit einer groben Skizze, entweder am iPad oder direkt auf der Leinwand. Anschließend wähle ich die passenden Farben für den Hintergrund aus. Wenn ich digital arbeite, probiere ich verschiedene Farbpaletten aus, um die gewünschte Stimmung zu erzeugen, und vergleiche sie miteinander. Danach arbeite ich das Hauptmotiv heraus und feile viele Stunden an den Details und der metaphorischen Bedeutung. Am liebsten arbeite ich gegen Ende des Tages, während der Dämmerung oder auch nachts, wenn die Atmosphäre besonders inspirierend ist und der Übergang von Realität und Traumwelt fließend ist. Den fertigen Fine Art Print verfeinere ich oft mit Neon-Acryl, um die Farben noch intensiver wirken zu lassen. Außerdem arbeite ich mit Silber oder Blattgold als Finish, um besondere Akzente zu setzen. Für eine spiegelglatte, beeindruckende Oberfläche nutze ich Gießharz. Ich experimentiere gerne mit unterschiedlichen Materialien und probiere Neues aus.


Was war Ihr überraschendster Moment ihrer bisherigen Kunstkarriere?

Es gab einige, aber einer der schönsten war, als ich bei der Vernissage meiner ersten Solo-Ausstellung direkt ein großes Bild verkauft habe. Kurz darauf verkaufte ich auch das größte Werk der Ausstellung. Das positive Feedback war überwältigend, und die Besitzer des Art Stalker boten mir sogar an, die ursprünglich für einen Monat geplante Ausstellung um über zwei Monate zu verlängern.

Reflected Soul 59,4x84,1 cm

Welche Anschauung haben Sie auf unsere Welt und ihre Gesellschaft?

Ich denke, unsere Gesellschaft ist ziemlich abgestumpft. Wir leben überwiegend in einer ungesunden, unnatürlichen Umgebung. Es wird keine Rücksicht auf die Natur und andere Lebewesen genommen, was sich letztendlich gegen uns selbst richtet. Das eigene Ego steht über allem anderen, jeder Wunsch soll schnell und ohne große Mühe erfüllt werden. Konsequenzen für andere sind nebensächlich. Alles ist unverbindlich, das gegebene Wort ist oft nichts mehr wert. Dabei könnten wir gemeinsam viel mehr für uns alle und damit auch jeden einzelnen erreichen. Wir brauchen wieder mehr Gemeinschaft, mehr Achtsamkeit, mehr Empathie für andere. Ich glaube daran, dass unsere Welt sich zum Positiven entwickeln kann, wenn wir bereit sind, an uns selbst zu arbeiten. Seinem eigenen, wahren Ich gegenüberzutreten erfordert viel Mut. Der Schlüssel dazu ist, sich mit den eigenen Emotionen auseinanderzusetzen. So wird echte Empathie für andere erst möglich. Mein Ziel ist es, die Menschen zu ermutigen, sich für andere einzusetzen und entschlossen zu handeln, um eine gerechtere, respektvolle und nachhaltige Zukunft für alle zu gestalten. Dazu möchte ich mit meinen Werken inspirieren.


Welcher Aspekt des kreativen Prozesses gefällt Ihnen am besten?

Wenn ich es geschafft habe, die Quintessenz meiner Idee gelungen wiederzugeben und ich mich daran mache, die Details auszuarbeiten. Ich liebe es, viel Zeit damit zu verbringen und mein Werk so perfekt wie möglich zu machen. Die Nachbearbeitung von meinen digital gezeichneten Fine Art Prints macht mir auch sehr viel Spaß. Es bereitet mir viel Freude zu sehen, wie das Bild dadurch zu einem Unikat wird und immer wieder Neues auszuprobieren.

Was sind Ihre nächsten Projekte, Ideen und Ausstellungen. Wo kann man Sie und Ihre Kunst zeitnah sehen?

Bald wird meine Kunst in neuen Ausstellungen zu sehen sein. Die genauen Termine werden auf meiner Homepage bekannt gegeben. Zukünftig wird es auch Kooperationen geben, bei denen meine Kunst eine Symbiose mit anderen Kunstformen eingeht. Es sind einige ganz neue Projekte in Arbeit, die ich zeitnah bekannt geben werde.

Fotografien: Lorena Schaupp

Weitere Informationen und verfügbare Werke unter:

www.fridapini.com

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